Energie

Heizen mit Eis: Klingt paradox, spart aber Ressourcen

In Deutschland ist die Heizung mit Eisspeicher ein Renner, in der Schweiz hat sie sich noch nicht durchgesetzt. So funktioniert die Anlage, die sich im Sommer auch in eine Klimaanlage verwandeln kann.

«Ich hoffe auf einen richtig kalten Winter», sagt Thomas Afjei. Der Professor für Gebäudetechnik an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) will sein Forschungsobjekt, eine Heizanlage mit Eisspeicher, einem Härtetest unterziehen. Im letzten – eher milden – Winter brachte es die Eisheizung auf ähnlich gute Effizienzwerte wie eine herkömmliche Erdwärmesonde. Jetzt will Afjei die Bestätigung für das gute Resultat – und braucht dazu eisige Temperaturen.

In einem sanierten Einfamilienhaus in Oberwil BL läuft das Heizungssystem seit einem Jahr als Pilotprojekt. Finanziert wird dieses vom Kanton Baselland und von der Heiztechnikfirma Viessmann, die die Heizanlage entwickelt hat und vertreibt.

Heizen mit Eis – was paradox klingt, macht in Wahrheit eine effiziente Nutzung von Energie möglich. Die «Wärmepumpenheizanlage mit Solar-Eisspeicher», wie das System mit vollem Namen heisst, funktioniert wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt: Anstatt einem Raum Wärme zu entziehen und nach draussen zu führen, holt es die Wärme von einem unterirdischen Eisspeicher, der mit 10 000 Litern Wasser gefüllt ist, und stellt sie mittels einer Wärmepumpe zum Heizen des Hauses zur Verfügung.

Sieden unter dem Gefrierpunkt

Die elektrisch betriebene Wärmepumpe enthält – wie der Kühlschrank – ein Kältemittel, das bei einer Temperatur von unter null Grad zum Sieden gebracht wird und verdampft, während es dem Eisspeicher Wärme entzieht. Das nun gasförmige Kältemittel wird vom Kompressor der Wärmepumpe unter hohen Druck und somit auf eine hohe Temperatur gebracht. Damit erhitzt es danach im sogenannten Kondensator das durch das Gebäude zirkulierende Heizwasser auf Heiztemperatur und wird anschliessend wieder flüssig. Im Expansionsventil wird der Druck wieder auf das Ausgangsniveau gebracht und der Kreislauf beginnt von Neuem.

Nach einigen Tagen Wärme-Entzug gefriert das Wasser im Solar-Eisspeicher und wird zu Eis. Dieser Gefrierprozess setzt nochmals zusätzliche Energie frei. Gefriert der ganze Inhalt des Eisspeichers, entspricht das einer frei werdenden Energiemenge von etwa 100 Litern Erdöl.

Eine kleine Menge Wasser am Rand des Speichers bleibt allerdings stets flüssig, da sie Wärme von der wärmeren Erdumgebung bezieht und zudem Energie von sogenannten Solar-Luftabsorbern erhält: Diese unverglasten Kunststoffröhren generieren in erster Linie Energie aus der Umgebungsluft. Dadurch, dass nie der ganze Wasservorrat gefriert, bleibt das System am Laufen.

Der Eisspeicher kann aber nicht nur als Heizung, sondern auch zum passiven Kühlen gebraucht werden. Mit steigenden Temperaturen im Sommer schmilzt das Eis. Das «Schmelzwasser» sorgt im Gebäude für angenehme Temperaturen. Das macht den Einsatz einer Klimaanlage obsolet, spart Strom und trägt zur Reduktion von Treibhausgasen bei.

Obwohl in Deutschland schon einige hundert Eisspeicher-Heizungen im Betrieb sind, konnten sie sich in der Schweiz noch nicht durchsetzen. Das liegt laut Afjei an den hohen baulichen Kosten hierzulande. Der Gebäudetechniker ist aber überzeugt: «Dieses System hat auch in der Schweiz grosses Potenzial.»

Ersatz für Erdwärmesonden

Die Eisspeicher-Heizung hat laut Afjei mehrere Vorteile. Zum einen arbeitet sie äusserst effizient: «Aus einem Teil Strom kann sie fast vier Teile Wärme erzeugen.» Zum anderen ist das Eisspeicher-System ein guter Ersatz für Erdwärmesonden, die tief im Boden vergraben werden müssen, was in der Schweiz aus geologischen Gründen in vielen Gebieten nicht möglich ist. Zu gross ist die Gefahr, dass die Bohrungen ein Erdbeben auslösen würden.

Afjei erklärt: «Den Eisspeicher braucht man nur in drei bis vier Metern Tiefe zu vergraben, das ist weniger umständlich und braucht erst noch keine Baubewilligung.» Und nicht zuletzt basiert die Anlage komplett auf regenerativen Energiequellen – sofern die elektrische Wärmepumpe den Strom aus Sonnen-, Wind- oder Biomassenenergie bezieht.

Quellenangabe:
Text:
Aargauer Zeitung – Heizen mit Eis: Klingt paradox, spart aber Ressourcen
Author: Mark Walther

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